Kindheitstraumata, Vernachlässigung und verletzte Bindungserfahrungen hinterlassen bei den Betroffenen nicht nur ein Erbe überwältigender Erinnerungen und Emotionen, sondern auch ein fragmentiertes Selbstverständnis und ein geschädigtes Nervensystem, das die Fähigkeit, Emotionen oder Stress zu ertragen und zu regulieren, beeinträchtigt. Da sie sich nicht bewusst sind, dass ihre intensiven Gefühle und Reaktionen auf nonverbalen, impliziten Erinnerungen beruhen, die von fragmentierten Teilen der Persönlichkeit festgehalten werden, greifen diese Klient:innen zu verzweifelten Maßnahmen: Suchtverhalten und Selbstverletzung, Selbstmordgedanken und impulsive Versuche sowie intensive Kampf- oder Fluchtreaktionen, wenn sie verletzt, bedroht oder zurückgewiesen werden. Anstatt einen Rahmen für die Heilung der Auswirkungen des Kindheitstraumas zu bieten, wird die Therapie oft zu einem Krisenzentrum, dessen Ziel es ist, einfach die Sicherheit der:des Klient:in zu gewährleisten.
Die:der Therapeut:in steht vor einem Dilemma: Wie behandeln wir das zugrundeliegende Trauma, wenn die:der Klient:in instabil oder unsicher ist, von einer Krise in die nächste gerät oder in einer sich drehenden Tür von Krankenhäusern oder Behandlungsansätzen gefangen ist? Wie können wir anerkennen, was geschehen ist, ohne zu viel zu öffnen? Wie behandeln wir eine:n Klient:in, die:der heute zu leben und am nächsten Tag zu sterben versucht? Das Modell der Trauma-Informierten Stabilisierungsbehandlung (TIST) wurde entwickelt, um einige hoffnungsvolle Antworten auf diese rätselhaften und frustrierenden Herausforderungen zu geben.
Auf der Grundlage theoretischer Prinzipien aus der neurowissenschaftlichen Traumaforschung kombiniert TIST achtsamkeitsbasierte Interventionen mit Techniken aus der sensomotorischen Psychotherapie, Ego-State-Therapie und Internal Family Systems, um die Herausforderungen bei der Behandlung von Klient:innen mit einem breiten Spektrum von Diagnosen zu bewältigen, darunter komplexe PTBS, Borderline-Persönlichkeit, bipolare Störungen, Sucht- und Essstörungen sowie dissoziative Störungen.
Durch eine Kombination aus didaktischem und erfahrungsorientiertem Lernen (Demonstration, Videobänder) lernen die Teilnehmer:innen ein neues und vielversprechendes Modell, um diese Menschen als fragmentiert und innerlich mit sich selbst im Krieg stehend zu verstehen.
Diese Arbeitsweise ermöglicht es Trauma-Überlebenden, die traumatische Vergangenheit anzuerkennen und gleichzeitig die Fähigkeit zu stabilisieren, ein normales Leben im Hier und Jetzt zu führen.
Wenn Traumasymptome neurobiologisch als emotionale Erinnerungen verstanden und behandelt werden, die von abgespaltenen, verleugneten Ich-Zuständen festgehalten werden, werden selbst die selbstzerstörerischsten, therapiedestruktiven und de-stabilisierten Klient:innen verständlich und handhabbar.
Im Laufe dieser 6-moduligen Fortbildung lernen die Teilnehmer:innen Folgendes:
Beschreiben der neurobiologischen und psychologischen Auswirkungen traumatischer Ereignisse
Anzeichen und Symptome von Fragmentierung und internen Konflikten zu erkennen
Klient:innen aufzuklären, damit ihre traumabedingten Symptome und ihr inneres Erleben einen Sinn ergeben
Klient:innen zu helfen, Neugier und Interesse zu steigern
Manifestationen von fragmentierten Teilen des Selbst zu erkennen
den Einsatz von Techniken der interpersonellen Neurobiologie und des sozialen Engagements bei der Behandlung darzulegen
bei Klient:innen Mitgefühl für verletzte Teile des Kindes wecken zu können
Klient:innen in der Anwendung interner Dialogtechniken zu unterweisen
somatische, Visualisierungs- und Ego-State-Techniken zur Auflösung von traumatischen Erinnerungen
Interventionen zur Stärkung der inneren sicheren Bindung und des Selbstmitgefühls
Begreifen der Bedeutung von “Integration” bei der Behandlung von Spaltung und Fragmentierung
Modul 1: Trauma und Selbstentfremdung
Das Überleben eines Traumas, insbesondere in jungen Jahren, erfordert, dass wir das missbrauchte, gedemütigte Kind verleugnen und versuchen, ein Kind zu sein, das “gut” ist, um missbraucht zu werden. Die Auswirkungen der Verleugnung und der Ablehnung unserer selbst, um zu überleben, haben lebenslange Folgen und führen zu Persönlichkeitsstörungen oder dissoziativen Störungen, unsicherem Verhalten und turbulenten Beziehungen, auch in der therapeutischen Beziehung.
In diesem Modul befassen wir uns mit einem Traumamodell, das sich mit diesem wichtigen Thema befasst, und damit, wie wir unseren Klient:innen helfen können, sich selbst mit Mitgefühl statt mit Scham und Selbstverurteilung zu verstehen und zu begegnen.
Modul 2: Grundlegende Fertigkeiten für die traumainformierte Stabilisierung
Die Überwindung von innerer Fragmentierung und Selbstentfremdung erfordert die Fähigkeit, sich achtsam zu konzentrieren, anstatt mit der Flut von Emotionen und Impulsen, die Überlebende täglich erleben, “mitzugehen”. Schritt-für-Schritt-Anleitungen helfen der:dem Therapeut:in, die Klient:innen von impulsiven Handlungen und Reaktionen zu achtsamem Gewahrsein und der zunehmenden Fähigkeit zu führen, “mit” sich selbst zu sein. Wenn die Klient:innen lernen, ihren intensiven Kummer als eine Mitteilung ihrer jungen traumatisierten Anteile zu verstehen, ändert sich ihre Beziehung zu den starken Emotionen und der Tendenz zum Ausagieren.
Modul 3: Suizidalität, Selbstschädigung, Süchte und Ess-Störungen
Die Forschung zeigt den engen Zusammenhang zwischen einer traumatischen Geschichte und der Entwicklung von unsicherem Verhalten, Süchten und Essstörungen. In diesem Modul geht es darum, wie man Klient:innen helfen kann, unsichere Impulse als Traumareaktionen zu verstehen, die von Schutzanteilen gesteuert werden. Traumabezogene Hinweise im täglichen Leben stimulieren Angst und Scham und treiben Kampf- und Fluchtanteile zu verzweifelten Maßnahmen, die zwar kurzfristige Erleichterung bringen, aber die unsichere Umgebung der Kindheit wiederherstellen.
Das Verständnis ihrer Schutzabsichten beruhigt oft das System und ermöglicht es den Klient:innen, die Ressourcen und Fähigkeiten aufzubauen, die sie zur Bewältigung der emotionalen Überforderung benötigen.
Modul 4: Die Herausforderung der traumatischen Bindung
Körperliche, emotionale und/oder sexualisierte Traumata in der Kindheit haben tiefgreifende Auswirkungen auf die Bindungsentwicklung und führen zu dem, was Forscher als “desorganisierte Bindung” bezeichnen. Das Kind (und später der Erwachsene) reagiert auf die bedrohliche Umgebung mit erhöhter Sehnsucht nach Nähe und Angst vor Verlassenheit, die sich mit Ängsten vor Nähe und erhöhtem Misstrauen abwechseln. Trennungsangst wechselt sich ab mit dem Wegstoßen von anderen oder der Flucht vor ihnen.
Die Intensität dieser gegensätzlichen Triebe ist für die:den Klient:in verwirrend und beängstigend und belastet oft die therapeutische Beziehung. In diesem Modul befassen wir uns mit dem Umgang mit traumatischer Bindung, da sie die Behandlung erschwert.
Modul 5: Entwicklung der internen Kommunikation und Zusammenarbeit
Die nächste Herausforderung bei der Behandlung ist die Entwicklung einer internen Zusammenarbeit zwischen den Anteilen, die durch widersprüchliche Überlebensreaktionen angetrieben werden. Selbstzerstörerisches Verhalten wird in der Regel verhaltenstherapeutisch angegangen, aber hohe Rückfallquoten bestätigen die Notwendigkeit, auch das Trauma und die traumatisierten Anteile zu behandeln. Ein erster Schritt besteht darin, den Klient:innen dabei zu helfen, ihre Beziehung zu unsicheren Gedanken und impulsiven Handlungen zu ändern. Als Nächstes erfordert die Behandlung die Fähigkeit zum inneren Dialog und zur Verhandlung, was zu einem wachsenden Einfühlungsvermögen für die Anteile und zur Bereitschaft führt, mit ihnen kreativ und mitfühlend umzugehen. Sicherheit wird zu einer gemeinsamen Basis, auf der alle Anteile willkommen sind.
Modul 6: Die Heilung des fragmentierten Selbst unserer Klient:innen
In diesem letzten Modul werden wir uns darauf konzentrieren, den Klient:innen zu helfen, die Vergangenheit zu “reparieren”, anstatt sich an sie zu erinnern, um das Erbe des Traumas, das jeder Teil in sich trägt, aufzulösen. In dem Maße, in dem Bindungen der Freundlichkeit und des Mitgefühls innerlich aufgebaut werden, nimmt die intensive Reaktivität der Teile ab, so dass die Klient:innen die verleugneten Teile willkommen heißen und ihnen eine sichere, liebevolle innere Umgebung bieten können. Anstatt die “Integration” zu betonen, konzentriert sich dieses Modell auf die innere Zusammenarbeit und Nähe, auf die Schaffung von innerer Akzeptanz, Vergebung und Sicherheit. Die Fähigkeit de:des Klient:in, jedem abgelehnten, verleugneten Teil mit Wärme und liebevoller Freundlichkeit zu begegnen, wird zum heilenden Gegenmittel für das Trauma.
Eine Dolmetscherin wird dieses zweiteilige Online-Seminar begleiten und simultan ins Deutsche übersetzen. Teilnehmende können wählen zwischen Audio in Englisch (Janina Fisher) oder deutscher Übersetzung.
Akkreditierung-Nummer: 2767202024037712044
Fortbildungspunkte: 24
Art des Veranstaltungsortes: Online
Referent*innen:
– Janina Fisher
Wissenschaftliche*r Leiter*in:
– Janina Fisher
Modulname | Schwerpunkt | Modulbeginn | Modulende |
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Modul 1 | Trauma und Selbstentfremdung | 25.09.2025 18:00 | 25.09.2025 21:00 |
Modul 2 | Grundlegende Fertigkeiten für die traumainformierte Stabilisierung | 09.10.2025 18:00 | 09.10.2025 21:00 |
Modul 3 | Suizidalität, Selbstschädigung, Süchte und Ess-Störungen | 23.10.2025 18:00 | 23.10.2025 21:00 |
Modul 4 | Die Herausforderung der traumatischen Bindung | 06.11.2025 18:00 | 06.11.2025 21:00 |
Modul 5 | Entwicklung der internen Kommunikation und Zusammenarbeit | 04.12.2025 18:00 | 04.12.2025 21:00 |
Modul 6 | Die Heilung des fragmentierten Selbst unserer Klient:innen | 29.01.2026 18:00 | 29.01.2026 21:00 |
Module einzel buchbar: nein
Anmeldung erforderlich
Telefon: 04087504469
E-Mail: info@fortschritte-hamburg.de
Internet: https://fortschritte-hamburg.de
Gebühr pro Teilnehmer: 750.00,- €