Hier finden Sie die häufig gestellten Fragen zum Berufsrecht thematisch gegliedert. Die FAQ mit Stand vom 17.02.2023 basieren auf der Berufsordnung der Psychotherapeutenkammer Hamburg – Änderungen vorbehalten.
Weitere Hinweise im Sinne einer Rechtsberatung erfolgen ausschließlich im Rahmen der eigenen behördlichen Zuständigkeit. Darüber hinaus wurden Informationen und Empfehlungen mit größtmöglicher Sorgfalt recherchiert und erarbeitet. Diese werden in regelmäßigen Abständen überprüft und bei Bedarf angepasst und erweitert. Sie stellen jedoch keine rechtsverbindliche Beratung zu Einzelfällen dar. Im Zweifel sind weitere Informationen und Ansprechpartner*innen (z.B. Datenschutzbeauftragte*r bzw. eine rechtsanwaltliche Beratung) hinzuzuziehen. Sofern in den Veröffentlichungen anderer Kammern auf Regelungen der Berufsordnung hingewiesen wird, ist zu beachten, dass für Sie – als Mitglieder der PTK Hamburg – ggf. andere Paragraphen der für Sie geltenden Berufsordnung der PTK Hamburg greifen.
Unter der Menünavigation „Über uns“ finden Sie unter „Rechtliches“ einschlägige Gesetze und Satzungen. Ferner sind Gesetze des Landes und des Bundes unter gesetze-im-internet.de zu finden (z.B. SGBV, BGB; StGB).
Schweigepflicht
Was genau bedeutet die Schweigepflicht für mich als Mitglied der Psychotherapeutenkammer Hamburg (im Folgenden: PTK Hamburg)?
Als behandelndes Kammermitglied sind Sie nach §203 StGB sowie nach §8 der Berufsordnung der PTK Hamburg dazu verpflichtet, die Schweigepflicht einzuhalten. Die Schweigepflicht gilt auch gegenüber anderen Behandler*innen, Ärzt*innen oder Kammermitgliedern, den Trägern der Sozialversicherung, Behörden und auch der Polizei sowie der Familie der Patient*innen. Dabei unterliegen alle Informationen über die Patient*innen der Schweigepflicht – auch solche, die Ihnen über Dritte
anvertraut wurden. Als Zeug*in in Gerichtsprozessen haben sie aufgrund der Schweigepflicht ein Zeugnisverweigerungsrecht.
Eine Offenbarungspflicht gilt aber im Zusammenhang mit Strafvergehen für geplante schwerste Straftaten (§139 [3] Strafgesetzbuch (StGB)), die eine Gefahr für Leib und Leben bedeuten. Ein Bruch der Schweigepflicht kann gerechtfertigt sein, wenn ein*e Patient*in sein / ihr eigenes Leben oder das Leben anderer gefährdet. Hier greift der sog. „Rechtfertigende Notstand“ nach § 34 StGB. Der Rechtfertigungsgrund gilt insbesondere bei einem möglichen Missbrauch von Minderjährigen. Es sollte
jedoch im Einzelfall unbedingt abgewogen und ggfls. mit anwaltlicher Beratung entschieden werden.
Ferner finden sich gesetzliche Offenbarungspflichten in den §§ 294 ff SGB V (an die Krankenkassen, Kassenärztlichen Vereinigungen und die mit der Datenverarbeitung beauftragten Stellen). Ferner finden sich Offenbarungspflichten in § 276 II SGB V und §§ 58 BMV-Ä, 24 VI BMV-Ä.
Was muss eine Schweigepflichtentbindung enthalten?
Wir empfehlen eine Schweigepflichtentbindung in Schriftform zu verfassen. Dabei sollte sich die Einwilligungserklärung zur Weitergabe von Daten an Dritte auf den spezifischen, konkreten Übermittlungsvorgang beziehen. Es ist nicht ausreichend, eine pauschale Einwilligung für die Weitergabe aller vorliegenden Daten zu vereinbaren. In dem Formular zur Schweigepflichtentbindung sollten die Patient*innen immer über die Möglichkeit des Widerrufes der Schweigepflichtentbindung belehrt werden.
Was passiert mit meinen Patient*innenakten nach meinem Tod? Bin ich verpflichtet, Vorsorgemaßnahmen einzuleiten? Wenn ja, welche?
Zur Aufbewahrungsfrist ist in § 9 der Berufsordnung der PTK Hamburg festgelegt:
„(1) Kammermitglieder sind verpflichtet, zum Zweck der Dokumentation in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit der Behandlung eine Patient*innenakte in
Papierform oder elektronischer Form zu erstellen und zu führen. Berichtigungen und Änderungen von Eintragungen in der Patient*innenakte sind nur zulässig, wenn neben dem ursprünglichen Inhalt erkennbar bleibt, wann sie vorgenommen worden sind. Dies ist auch für elektronisch geführte Patientinnen- oder Patientenakten sicherzustellen.
(2) Kammermitglieder sind verpflichtet, in der Patient*innenakte sämtliche aus fachlicher Sicht für die derzeitige und künftige Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse aufzuzeichnen, insbesondere die Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, Eingriffe und ihre
Wirkungen, Einwilligungen und Aufklärungen. Arztbriefe sind in die Patient*innenakte aufzunehmen.
(3) Die Dokumentationen nach Absatz 1 sind zehn Jahre nach Abschluss der Behandlung aufzubewahren, soweit sich nicht aus gesetzlichen Vorschriften eine längere
Aufbewahrungsdauer ergibt. Nach Ablauf der Aufbewahrungszeit sind die Dokumentationen unter Beachtung der Grundsätze der Datenschutzbestimmungen zu vernichten.“
In § 24 heißt es weiter:
„Kammermitglieder haben dafür Sorge zu tragen, dass bei Praxisübergabe und im Falle eigenen Unvermögens (Krankheit, Tod) ihre Dokumentationen sicher verwahrt und nach Ablauf der Aufbewahrungszeit (§ 9 Absatz 3) unter Beachtung der Grundsätze der Datenschutzbestimmungen vernichtet werden.“
Im Falle des Todes von Behandler*innen entfällt die Pflicht zur Aufbewahrung von Patient*innenakten damit nicht – ebenso muss nach dem Tode die Einhaltung der Schweigepflicht gewährleistet werden. Nach den Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) sind die Erb*innen dazu verpflichtet, die Patient*innenakten aufzubewahren und auf entsprechenden Antrag ehemaliger Patient*innen Einsicht zu gewähren. Auch die Erb*innen unterliegen dann der Schweigepflicht.
Um die Erb*innen zu entlasten, empfehlen wir Ihnen, zu Beginn der Behandlung eine Einwilligung der Patient*innen dafür einzuholen, dass die Patient*innenakten im Falle von Krankheit oder Tod an ein anderes (namentlich genanntes) Kammermitglied übergeben werden. Ferner sollten für diesen Fall auch die Erb*innen von der Schweigepflicht entbunden werden. Diese*r zur Verschwiegenheit verpflichtete Kolleg*in wird die Dokumente am besten in einem zweiten Schrank sicher verwahren, auf Antrag Einsichtnahme gewähren und die Dokumente nach Ablauf der Aufbewahrungszeit unter Beachtung der Grundsätze der Datenschutzbestimmungen vernichten.
Gilt die Schweigepflicht auch in Supervision, Intervision oder Qualitätszirkeln?
Ja, auch hier gilt die Schweigepflicht. Rückschlüsse auf die Patient*innen dürfen nicht möglich sein.
Mein*e Patient*in hat mich darum gebeten, einen Bericht einer behandelnde*n Ärzt*in über einen stationären Aufenthalt in der Klinik anzufordern. Die Ärzt*in erklärte, dass mir der Bericht aufgrund ärztlicher Schweigepflicht nicht zugesendet werden könne. Ist dies zutreffend?
Die Ärzt*in hat über das, was ihr/ihm als Ärzt*in anvertraut oder bekannt geworden ist (auch über den Tod der Patient*in hinaus) zu schweigen. Die Ärzt*in hat den Patient*innen auf deren Verlangen jedoch grundsätzlich in die sie betreffenden Krankenunterlagen Einsicht zu gewähren. Somit muss die/der Patient*in den Bericht selbst anfordern oder Ihnen eine Schweigepflichtentbindung der/des Ärzt*in für den Erhalt dieses Berichtes vorlegen.
Verhalten bei Anfragen von Gerichten hinsichtlich einer Aussage
Eine Auskunft kann nur auf Grundlage einer ausdrücklichen Schweigepflichtentbindung seitens der Patient*innen erfolgen. Für Aussagen vor Gericht entfällt bei wirksamer Schweigepflichtentbindung das Zeugnisverweigerungsrecht, daher sollten die Konsequenzen einer Schweigepflichtentbindung mit Patient*innen vorab geklärt werden.
Eine Offenbarungspflicht gilt im Zusammenhang mit Strafvergehen nur für geplante schwerste Straftaten (§ 139 [3] StGB), die eine Gefahr für Leib und Leben bedeuten. Ein Bruch der Schweigepflicht kann gerechtfertigt sein, wenn Patient*innen ihr eigenes Leben oder das Leben anderer gefährden. Hier greift der sog. „rechtfertigende Notstand“ nach § 34 StGB. Dies sollte jedoch im Einzelfall unbedingt abgewogen und ggfls. mit anwaltlicher Beratung entschieden werden.
Berichtspflicht gegenüber überweisenden Hausärzt*innen
Die Berichtspflicht von Kammermitgliedern gegenüber Hausärzt*innen ist in § 73 Abs. 1 b SGB V geregelt. Die Übermittlung des Berichtes sowie die Übermittlung von Daten und Befunden bedarf der Einwilligung der Versicherten. Darüber hinaus findet sich in § 24 Abs. 6 Satz 3 BMV-Ä eine Regelung zur Übermittlung von Befunden und Daten zwischen Vertragsärzt*innen und Hausärzt*innen.
Aussagen gegenüber Krankenkassen oder dem Arbeitsamt über die Arbeitsunfähigkeit meine*r Patient*in
Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dürfen derzeit nur Ärzt*innen ausstellen (§ 73 II SGB VII Satz 2 Feststellung und Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit ist für Kammermitglieder explizit ausgenommen). Bei Anfragen von Krankenkassen und der Bundesagentur für Arbeit dürfen Kammermitglieder gegenüber dem Medizinischen Dienst der Krankenkasse oder dem Medizinischen Dienst der Bundesagentur für Arbeit eine Empfehlung aussprechen, sofern diese sachlich und fachlich begründet ist. Hierfür muss vorher eine schriftliche Einwilligung der Patient*innen eingeholt werden. Die Bundesagentur für Arbeit hat ein eigens erstelltes Formular, mit dem der Medizinische Dienst der Bundesagentur für Arbeit Anfragen stellt. Rechtsgrundlage ist § 100 SGB X i.V.m. einer Vereinbarung zwischen der Bundesagentur für Arbeit und der Bundespsychotherapeutenkammer aus dem Jahr 2014. (Siehe auch 1.4.9.)
Mein*e Patient*in begleicht auch nach mehrfachen Mahnungen nicht die von mir in Rechnung gestellten Leistungen der Psychotherapie. Verstoße ich gegen die Schweigepflicht, wenn ich den Fall an ein Inkassounternehmen weitergebe?
Die Weitergabe einer Honorarforderung an ein Inkassounternehmen ist möglich, wenn alles versucht wurde und die Patient*in mehrfach angemahnt wurde. Es sollte jedoch in der Mahnung bereits der Hinweis erfolgen, dass die notwendigen Informationen bei Nichtzahlung an ein Inkassounternehmen weitergeleitet werden. In diesem Fall ist sich die Patient*in über die Konsequenzen ihrer Nichtzahlung bewusst.
Die Übergabe dient der Wahrnehmung berechtigter Interessen der Kammermitglieder und ist durch die Neuregelung des § 203 StGB, die ein Offenbaren der dem Berufsgeheimnisträger anvertrauten Geheimnissen und Daten nun auch gegenüber „sonstigen mitwirkenden Personen“ legitimiert. Damit ist nicht nur externen Schreibbüros oder IT-Wartungsdienstleistern, sondern auch Inkassounternehmen die Möglichkeit eingeräumt, für Berufsgeheimnisträger tätig zu werden. Das gilt auch bezogen auf den Grundsatz der Datensparsamkeit der DSGVO – mit der Einschränkung, dass nur diejenigen Daten übermittelt werden dürfen, die zur Durchsetzung der Forderung erforderlich sind. Das sind in der Regel: Name und Anschrift, ggf. Geburtsdatum der Schuldner*innen, eine Kopie der Rechnung (mit in der Regel geschwärzter Diagnoseangabe), Kopie der Mahnschreiben.
Vorsicht ist geboten bei der Übermittlung von gesundheitsbezogenen Angaben. Diese unterfallen in der Regel auch weiterhin der Schweigepflicht der Kammermitglieder und dürfen nicht ohne weiteres offenbart werden, sondern nur dann, wenn es für die Forderungsdurchsetzung auf diese Angaben rechtlich ankommt. Das können im Regelfall weder die Kammermitglieder selbst, noch das von ihnen eingeschaltete Inkassounternehmen beurteilen. Verteidigen sich die Patient*innen gegen die Forderung mit gesundheitsbezogenen Argumenten, ist zu prüfen, ob das Inkassoverfahren abzubrechen und die Forderung eine*r Rechtsanwält*in zum Einzug zu übergeben ist, die die Fragen der Schweigepflichtwahrung in ihr / sein weiteres rechtliches Vorgehen einbeziehen muss. Erforderlichenfalls sind die Patient*innen im gerichtlichen Verfahren aufzufordern, eine Schweigepflichtentbindungserklärung abzugeben, wenn es rechtlich darauf ankommen sollte.
Schweigepflicht im Falle von Patient*innen, die mich als Behandler*in stalken
Auf der Internetseite Polizeiliche Kriminalprävention finden Sie Tipps, wie man sich verhalten sollte, wenn man Opfer einer stalkenden Person geworden ist. Im ersten Schritt sollten Sie nach diesen aufgeführten Tipps gegenüber der*m Patient*in sofort und unmissverständlich in einer Antwortmail Stellung nehmen, dass Sie keinerlei Kontakt mehr wünschen. Seien Sie konsequent. Diese Mail sollten Sie mit Blick auf das Abstinenzgebot der Berufsordnung der PTK Hamburg von Ihrem Praxis-Account aus versenden, die Mail der*s Patient*in sollten Sie komplett in diese Mail kopieren.
Drucken Sie die Mails aus und heften Sie die Mail de*r Patient*in und Ihre Antwortmail ab.
Ändern Sie Ihre private E-Mail-Adresse oder lassen Sie sich über technische Schutzmöglichkeiten, geheime private Telefonnummer, Fangschaltung und E-Mail Adresse beraten.
Sollte die/der Patient*in nicht von Ihnen ablassen, können Sie Anzeige erstatten oder beim Amtsgericht eine „Einstweilige Verfügung / Schutzanordnung“ nach dem Gewaltschutzgesetz beantragen. Die Datenweitergabe kann bei Stalking durch § 34 StGB „Rechtfertigender Notstand“ gerechtfertigt sein
Auskunftsersuche von Dritten
Umgang mit Auskunftsersuchen, Anfragen Dritter und Gutachter*innenaufträgen - welche Dokumente darf ich herausgeben? Wie muss ich mich verhalten?
Die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg hat sich ausführlich mit unterschiedlichen Fragen in der Zusammenarbeit mit Dritten befasst und ein hilfreiches Dokument erarbeitet, in welchem Sie die wichtigsten Antworten auf Ihre Fragen finden.
Um Antwort wird gebeten – Stand: Februar 2017
Die KV Niedersachen sowie die Ärztekammer Niedersachsen haben ebenfalls ein gemeinsames Dokument erarbeitet:
Der schnelle Überblick: Anfragen von Krankenkassen, MDK und Anderen – Stand: März 2013
Abstinenz gegenüber Dritten
Ich habe eine*n Patient*in, bei welcher / welchem sich herausgestellt hat, dass ihr*e/sein*e Partner*in ebenfalls bei mir in Behandlung ist. Wie verhalte ich mich nun
Die Berufsordnung der PTK Hamburg enthält in den §§ 5 und 6 dazu Regelungen:
Es obliegt Ihrer fachlichen Einschätzung, ob die von Ihnen beschriebene Konstellation die psychotherapeutische Beziehung zum Schaden der / des Patient*in beeinflusst bzw. den Behandlungsverlauf beeinträchtigen könnte, weil eine abstinente Arbeitsebene nicht eingehalten werden kann.
Ihre Abwägungen sollten Sie dokumentieren und bestenfalls in der Intervision oder Supervision reflektieren (und dies ebenfalls dokumentieren).
Zu beachten ist dabei: Das Abstinenzgebot hat eine präventive Funktion. Interessenkonflikte sollen abgewendet und Gefahren für den Therapieerfolg und die Gesundheit der Patient*innen vermieden werden. Durch die Psychotherapie bei mehreren Mitgliedern einer Familie oder guten Freunden und gegebenenfalls bei einem gemeinsamen Thema, ist es schwer möglich, die erzählten Inhalte über einen längeren Zeitraum getrennt zu halten und der richtigen Person zuzuordnen (Wer hat was erzählt?).
Das kann zu gravierenden Verletzungen der Verpflichtung zur Berufsverschwiegenheit führen, jedenfalls aber das Vertrauensverhältnis zur Patient*in beschädigen. Deshalb sollen sowohl miteinander verbundene Patient*innen und außertherapeutische Kontakte mit so großer Sorgfalt geprüft werden, so dass die therapeutische Beziehung und die eigene Unabhängigkeit möglichst wenig beeinträchtigt werden. Es droht die Gefahr, die abstinente Arbeitsebene zu verlassen.
Führt die Abwägung dazu, dass eine Fortführung eines oder sogar beider Behandlungsverhältnisse nicht vertretbar ist, darf die Therapie / dürfen ggf. beide Therapien nicht unvermittelt vom Kammermitglied abgebrochen werden. Bei der Therapiebeendigung sind vielmehr die Regelungen in § 5 Abs. 3 und 4 der Berufsordnung der PTK Hamburg zu beachten:
„(3) Kammermitglieder dürfen keine Behandlung durchführen und sind verpflichtet, eine begonnene Behandlung zu beenden, wenn sie feststellen, dass das notwendige Vertrauensverhältnis zwischen der Patientin oder dem Patienten und der Behandelnden oder dem Behandelnden nicht herstellbar ist, sie für die konkrete Aufgabe nicht befähigt oder hierfür nicht ausgebildet sind. Eine kontraindizierte Behandlung ist selbst bei ausdrücklichem Wunsch einer Patientin oder eines Patienten abzulehnen. Wird 6 eine Behandlung bei fortbestehender Indikation beendet, ist das Kammermitglied verpflichtet, der Patientin oder dem Patienten ein Angebot zu machen, sie oder ihn bei der Suche nach Behandlungsalternativen zu unterstützen.
(4) Erkennen Kammermitglieder, dass ihre Behandlung keinen Erfolg mehr erwarten lässt, so sind sie gehalten, sie zu beenden. Sie haben dies der Patientin oder dem Patienten zu erläutern und das weitere Vorgehen mit ihr oder ihm zu erörtern. Es ist anzustreben die Behandlung in beiderseitigem Einvernehmen zu beenden.“
Einsichtnahme in Behandlungsakten
Mein*e Patient*in möchte die Behandlungsakten einsehen. Muss ich ihr/ihm diese aushändigen?
Patient*innen haben ein Recht auf Einsicht in ihre Akte. Dies ist in § 11 der Berufsordnung der Psychotherapeutenkammer Hamburg und in § 630 g BGB (Patientenrechtegesetz) festgehalten:
§ 630 g BGB:
„(1) Dem Patienten ist auf Verlangen unverzüglich Einsicht in die vollständige, ihn betreffende Patientenakte zu gewähren, soweit der Einsichtnahme nicht erhebliche therapeutische Gründe oder sonstige erhebliche Rechte Dritter entgegenstehen. Die Ablehnung der Einsichtnahme ist zu begründen. § 811 ist entsprechend anzuwenden.
(2) Der Patient kann auch elektronische Abschriften von der Patientenakte verlangen. Er hat dem Behandelnden die entstandenen Kosten zu erstatten.
(3) Im Fall des Todes des Patienten stehen die Rechte aus den Absätzen 1 und 2 zur Wahrnehmung der vermögensrechtlichen Interessen seinen Erben zu. Gleiches gilt für die nächsten Angehörigen des Patienten, soweit sie immaterielle Interessen geltend machen. Die Rechte sind ausgeschlossen, soweit der Einsichtnahme der ausdrückliche oder mutmaßliche Wille des Patienten entgegensteht.“
§ 11 der Berufsordnung der PTK Hamburg (Einsicht in Behandlungsdokumentationen):
„(1) Patientinnen und Patienten ist auch nach Abschluss der Behandlung auf ihr Verlangen hin unverzüglich Einsicht in die sie betreffende Patientinnen- oder Patientenakte zu gewähren, die nach § 9 Absatz 1 zu erstellen ist. Auch persönliche Eindrücke und subjektive Wahrnehmungen des Kammermitglieds, die gemäß § 9 in der Patientinnen- oder Patientenakte dokumentiert worden sind, unterliegen grundsätzlich dem Einsichtsrecht der Patientin oder des Patienten. Auf Verlangen der Patientin oder des Patienten haben Kammermitglieder dieser oder diesem Kopien und elektronische Abschriften aus der Dokumentation zu überlassen.
(2) Kammermitglieder können die Einsicht ganz oder teilweise nur verweigern, wenn der Einsichtnahme erhebliche therapeutische Gründe oder sonstige erhebliche Rechte Dritter entgegenstehen. Nimmt das Kammermitglied ausnahmsweise einzelne Aufzeichnungen von der Einsichtnahme aus, weil diese Einblicke in ihre oder seine Persönlichkeit geben und deren Offenlegung ihr oder sein Persönlichkeitsrecht berührt, stellt dies keinen Verstoß gegen diese Berufsordnung dar, wenn und soweit in diesem Fall das Interesse des Kammermitglieds am Schutz ihres oder seines Persönlichkeitsrechts in der Abwägung das Interesse der Patientin oder des Patienten an der Einsichtnahme überwiegt. Eine Einsichtsverweigerung gemäß Satz 1 oder Satz 2 ist gegenüber der Patientin oder dem Patienten zu begründen. Die Psychotherapeutenkammer kann zur Überprüfung der Voraussetzungen nach Satz 1 oder Satz 2 die Offenlegung der Aufzeichnungen ihr gegenüber verlangen. Die Regelung des § 12 Absatz 6 Satz 2 bleibt unberührt.
(3) Im Fall des Todes der Patientin oder des Patienten stehen die Rechte aus Absatz 1 zur Wahrnehmung der vermögensrechtlichen Interessen ihren oder seinen Erben zu. Gleiches gilt für die nächsten Angehörigen der Patientin oder des Patienten, soweit diese immaterielle Interessen geltend machen. Die Rechte sind ausgeschlossen, soweit der Einsichtnahme der ausdrückliche oder mutmaßliche Wille der Patientin oder des Patienten entgegensteht.“
Die Bundespsychotherapeutenkammer hat für Kammermitglieder das Patientenrechtegesetz genauer erläutert. Auch die Frage zur Einsichtnahme in Behandlungsakten wird in diesem Dokument behandelt:
Ein*e Patient*in war bei mir in Behandlung, als das Patientenrechtegesetz noch nicht rechtskräftig war. Zudem war sie/er zu dieser Zeit noch minderjährig. Gilt das Recht auf Einsicht der Dokumentation auch rückwirkend?
Ja, ehemalige Patient*innen haben das Recht auf Einsicht in die Dokumentation. Dieser Anspruch bestand schon vor Inkrafttreten des Patientenrechtegesetzes kraft Rechtsprechung und ist durch das Gesetz nur kodifiziert worden. Ein*e Erwachsene*r hat weiter das Recht, Einsicht in die Behandlungsunterlagen aus ihrer/seiner Zeit als Minderjährige*r zu nehmen (arg. § 108 Abs. 3 BGB)
Was genau ist unter dem Satz „(…) soweit der Einsichtnahme nicht erhebliche therapeutische Gründe oder sonstige erhebliche Rechte Dritter entgegenstehen“ zu verstehen?
Die Bundespsychotherapeutenkammer hat diesen Teil genauer erläutert und gibt folgende Empfehlung:
„[…] Bei der Prüfung, ob ein Einsichtnahmerecht verweigert werden kann oder muss, sind die „erheblichen therapeutische Gründe“ eng auszulegen. Dies legt die Formulierung „erheblich“ bereits nahe.
Es reicht demnach nicht aus, dass es für den Patienten aus therapeutischen Gründen „besser“ wäre, auf eine Einsichtnahme zu verzichten. Vielmehr muss eine erhebliche Gefährdung der Gesundheit vorliegen, was nur im Ausnahmefall denkbar ist. Selbst wenn im Einzelfall eine solche Gefährdung angenommen werden kann, kann die Einsichtnahme nicht einfach insgesamt verweigert werden.
Vor der vollständigen Verweigerung einer Einsichtnahme sind alle milderen Mittel anzuwenden, die die Wahrnehmung des Einsichtnahmerechts wenigstens teilweise
ermöglichen. Dabei kommt insbesondere in Betracht, dass die Einsichtnahme durch den Patienten im Beisein einer fachkundigen Person erfolgt. So kann der Psychotherapeut beispielsweise einzelne Einträge erläutern.
Auch kann der Patient einen anderen Psychotherapeuten mit der Einsichtnahme beauftragen. Daher ist davon auszugehen, dass die Einsichtnahme in die Akte aus
therapeutischen Gründen nie oder jedenfalls fast nie dauerhaft ausgeschlossen werden kann. Beauftragt der Patient eine andere Person mit der Einsichtnahme, so sind erhebliche therapeutische Gründe im Sinne des Gesetzes kaum denkbar. […]“
Welche Kosten kann ich für die Herausgabe der Kopien der Behandlungsakten verlangen?
Eine erste Kopie (Anspruch haben Patient*innen gemäß Art. 15. Absatz 3 S.1 DSGVO auf Kopien der kompletten Akte) muss nach Art. 15 III S.2 DSGVO kostenfrei ausgehändigt werden.
Für weitere Kopien gilt:
Nach einer Entscheidung des Landgerichts München I aus dem Jahre 2008 (Urteil vom 19.11.2008, Az.: 9 O 5324/08) kann eine Vergütung von 0,50 Euro je DIN A4 Seite angemessen sein, wenn die Vervielfältigung der Patient*innenakte, z.B. aufgrund unterschiedlicher Formate der Seiten, mit hohem Aufwand verbunden ist. Es bietet sich für die Frage der Höhe der Kopierkosten auch eine Orientierung an Nummer 9000 der Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz an. Danach können als Kopierkosten 0,50 Euro je Seite für die ersten 50 Seiten und für jede weitere Seite 0,15 Euro angesetzt werden. (Diese Kosten werden z.B. von der Ärztekammer Hamburg empfohlen).
Diese Empfehlungen können Sie als Orientierungswerte ansehen. Wir empfehlen Ihnen, die Kosten jeweils mit der/dem Patient*in abzustimmen.
Aufklärungspflichten, Psychotherapievertrag und Vereinbarungen mit Patient*innen
Inhalt der Klappen hier rein
Datenschutz, Aufbewahrung und Vernichtung von Patient*innenakten
Was ist in der Patient*innenakte zu dokumentieren und wie lange muss ich meine Patient*innenakte aufbewahren?
In §9 der Berufsordnung der PTK Hamburg ist dazu festgelegt:
(1) „Kammermitglieder sind verpflichtet, zum Zweck der Dokumentation in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit der Behandlung eine Patientinnen- oder Patientenakte in Papierform oder elektronischer Form zu erstellen und zu führen. Berichtigungen und Änderungen von Eintragungen in der Patientinnen- oder Patientenakte sind nur zulässig, wenn neben dem ursprünglichen Inhalt erkennbar bleibt, wann sie vorgenommen worden sind. Dies ist auch für elektronisch geführte Patientinnen- oder Patientenakten sicherzustellen.
(2) Kammermitglieder sind verpflichtet, in der Patientinnen- oder Patientenakte sämtliche aus fachlicher Sicht für die derzeitige und künftige Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse aufzuzeichnen, insbesondere die Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, Eingriffe und ihre Wirkungen, Einwilligungen und Aufklärungen. Arztbriefe sind in die Patientinnen- oder Patientenakte aufzunehmen.
(3) Die Dokumentationen nach Absatz 1 sind zehn Jahre nach Abschluss der Behandlung aufzubewahren, soweit sich nicht aus gesetzlichen Vorschriften eine längere Aufbewahrungsdauer ergibt. Nach Ablauf der Aufbewahrungszeit sind die Dokumentationen unter Beachtung der Grundsätze der Datenschutzbestimmungen zu
vernichten.“
Die BPtK hat zudem hilfreiche Empfehlungen für die Dokumentation psychotherapeutischer Behandlungen in der psychotherapeutischen Versorgung in der Fassung des Beschlusses des 37. Deutschen Psychotherapeutentages in Berlin (digital am 14. November 2020 veröffentlicht).
Empfehlungen der BPtK für die Dokumentation psychotherapeutischer Behandlungen in der psychotherapeutischen Versorgung
Was muss ich bei der Vernichtung von Patient*innenakten beachten? Gibt es bestimmte Vorschriften?
Grundlage für die Aktenvernichtung bildet die DIN 66399. Diese spezifiziert drei Schutzklassen und sechs Sicherheitsstufen, nach denen die Datenträger hinsichtlich ihrer Schutzbedürtigkeit einzuordnen sind. Zur Aktenvernichtung für Patient*innenakten werden Aktenvernichter der Sicherheitsstufe P-4 oder höher empfohlen („Besonders sensible Daten – Reproduktion mit außergewöhnlichem Aufwand“). Weiterführende Informationen zur Aktenvernichtung finden Sie in den nachfolgenden Dokumenten
Weiterführende Informationen zum Umgang mit personenbezogenen Daten
- Auf der Homepage des Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationssicherheit finden Sie Informationen zur EU-Datenschutz-Grundverordnung
Infos zur EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) (datenschutz-hamburg.de) - Die Bundesärztekammer (BÄK) hat in Zusammenarbeit mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) ein hilfreiches Dokument erarbeitet, in welchem die Frage des Umgangs mit personenbezogenen Daten ausführlich erörtert wird:
Hinweise und Empfehlungen zur ärztlichen Schweigepflicht, Datenschutz und Datenverarbeitung in der Arztpraxis – Stand: 15.09.2021 - Die Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg hat einen Leitfaden zum Umgang mit Auskunftsersuchen, Anfragen Dritter und Gutachteraufträgen entwickelt.
Um Antwort wird gebeten – Stand: Februar 2017 - Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) bietet unter der Rubrik
Sicheres Netz – Datenschutz und Sicherheit
eine Orientierungshilfe zu diversen Fragen des Datenschutzes an. - Die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns stellt Hinweise und Antworten zum Umgang mit Patient*innendaten im Praxisalltag zur Verfügung.
Datenschutz in der Praxis - Die Ärztekammer Baden-Württemberg sowie die Psychotherapeutenkammer Baden-Württemberg haben ein gemeinsames Dokument zum Thema Datenschutz und Schweigepflicht für ihre Kammermitglieder erstellt.
Schweigepflicht und Datenschutz – Informationen für Ärztinnen, Ärzte, Psychotherapeutinnen, Psychotherapeuten – Stand: 16.03.2011 - Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) hat für Psychotherapeut*innen die wichtigsten Informationen aus dem Patientenrechtegesetz zusammengetragen und erläutert:
Praxis-Info der BPtK „Patientenrechte“ – Stand: November 2017
Wie stelle ich sicher, dass meine Akten und elektronisch erfassten Daten meiner Patient*innen ausreichend gesichert bzw. geschützt sind? Welche Richtlinien habe ich zu befolgen?
Bzgl. der Speicherung von Daten sind Sie verpflichtet, sich an die DSGVO und das Bundesdatenschutzgesetz zu halten. Dort sind die technischen Voraussetzungen in § 64 (Anforderungen an die Sicherheit der Datenverarbeitung) festgehalten.
Die Bundesärztekammer hat in Zusammenarbeit mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung ein hilfreiches Dokument „Hinweise und Empfehlungen zur ärztlichen Schweigepflicht, Datenschutz und Datenverarbeitung in der Arztpraxis“ – Stand: 15.09.2021 erarbeitet, in welchem die Frage des Umgangs mit personenbezogenen Daten ausführlich erörtert wird. In dem Anhang „Addendum zur Technischen Anlage“ finden Sie die wesentlichen technischen Vorkehrungen. Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung bietet unter der Rubrik „Sicheres Netz“ eine Orientierungshilfe auf ihrer Seite an.
Im Zweifelsfall empfehlen wir Ihnen, sich von einer/einem IT Spezialist*in beraten zu lassen.
Bitte achten Sie darauf, dass Sie bei E-Mail-Kontakt mit Patient*innen die E-Mails verschlüsseln!
Zugriff auf Daten der eGK durch Verwaltungsangestellte einer psychotherapeutischen Praxis
Bei der Beantragung meines Praxisausweises muss ich als Psychotherapeut zusichern, dass nur ich die medizinischen Daten auf der eGK einsehen darf. Für die Berufsgruppe der Ärzt*innen gibt es die Ausnahme, dass auch Praxispersonal Einsicht nehmen darf. Es behindert die Praxisabläufe, wenn eine Verwaltungskraft in einer psychotherapeutischen Praxis beschäftigt wird und diese keine Einsicht nehmen darf. Liege ich da richtig?
Laut dem Datenschutzbeauftragten der KV HH erfolgt in der Gesetzesbegründung zum § 291a Abs. 4 SGB V hierzu keine klare Darstellung: „In Absatz 4 wird der Personenkreis definiert, der auf die Daten der Gesundheitskarte zugreifen darf. Es wird differenziert zwischen Gesundheits-, Rezept- sowie Notfalldaten. Zum Kreis der Zugriffsberechtigten gehören neben den Versicherten in erster Linie Ärzt*innen, Zahnärzt*innen und Apotheker*innen. Eingeschränkte Zugriffsrechte erhalten darüber hinaus das übrige pharmazeutische Personal und das sie unterstützende Apothekenpersonal (§ 3 Apothekenbetriebsordnung) sowie sonstige gemäß SGB V vorgesehene Erbringer ärztlich verordneter Leistungen für die Rezeptdaten sowie Angehörige anderer Heilberufe, die für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordern, für die Notfalldaten (zum Beispiel Rettungsassistenten). Damit wird es den zugriffsberechtigten Personen ermöglicht, die ihnen rechtlich erlaubten Tätigkeiten unter Nutzung der Gesundheitskarte ausführen zu können. Alle in Absatz 4 genannten Zugriffsrechte stehen unter dem Erforderlichkeitsvorbehalt. Es wird klargestellt, dass die Versicherten gemäß den technischen Voraussetzungen des Absatzes 5 ein eigenes Zugriffsrecht haben.“ Jedoch ist ein Zugriff durch das Praxispersonal neben § 203 Abs. 3 StGB auch durch § 291a Abs. 5 S. 6 SGB V zulässig: Um die primär Zugriffsberechtigten vom permanenten eigenen Einsatz des Ausweises zu entlasten, können sie als Inhaber des (Heil-)Berufsausweises den Zugriff auf andere Personen delegieren, wenn elektronisch protokolliert wird, wer auf die Daten zugegriffen hat und dass sie die Autorisierung vorgenommen haben (Abs. 5 S. 6). Die Protokollierung entfällt, wenn die Hilfsperson selbst einen Berufsausweis enthält und diesen innerhalb des ihr zugewiesenen Aufgabenbereichs anwendet und vom Angehörigen des Heilberufs beaufsichtigt wird (Abs. 4 S. 1 Nr. 1 lit. d, Nr. 2 lit. d). (Kommentierung: BeckOK SozR/Scholz, 53. Ed. 1.6.2019, SGB V § 291a Rn. 13) Der Gesetzgeber sieht aus Sicht des Datenschutzbeauftragten der KV HH nur eingeschränkte Zugriffsrechte für Psychotherapeut*innen vor, so dass hier eine gesonderte Zugriffsregelung wie oben beschrieben für das Praxispersonal notwendig ist
Rund um die Praxisführung
Ich möchte mich selbstständig machen und eine eigene Praxis gründen. Was muss ich beachten?
Bei einer selbstständigen Tätigkeit gibt es unterschiedliche Formen. Wie Sie Ihre Tätigkeit anmelden und demnach versteuern müssen, können Sie bei Ihrer/Ihrem Steuerberater*in erfragen.
Die Kassenärztliche Vereinigung Hamburg bietet zudem eine Praxisberatung an.
Die LPK Rheinland-Pfalz hat zudem ein „A-Z zur Praxisgründung“ veröffentlicht.
Die Landespsychotherapeutenkammer Baden-Württemberg hat darüber hinaus Informationen zur Gründung einer Privatpraxis veröffentlicht.
Ich möchte eine eigene Praxis gründen und dafür geeignete Räumlichkeiten anmieten. Was muss ich beachten?
Berufsrechtlich müssen Sie die Vorgaben der Berufsordnung (BO) der Psychotherapeutenkammer Hamburg beachten – insbesondere § 22 der BO.
Häufig werden wir gefragt, ob es spezielle Vorgaben für die sanitären Anlagen gibt – dies ist nicht der Fall. Wichtig ist allerdings, dass private Räumlichkeiten (also private Wohnbereiche) von den Praxisräumlichkeiten getrennt werden müssen. Dies ist in §22 (3) der BO festgelegt.
„Räumlichkeiten der Praxen, in denen Kammermitglieder heilkundliche Behandlungen ausüben, müssen von ihrem privaten Lebensbereich getrennt sein.“
Darüber hinaus gibt es aber bisher keine Vorschrift, die die Anzahl der Toiletten, die Behindertengerechtigkeit, Fluchtwege etc. festlegt oder regelt. Auch das Vertragsarztrecht regelt das nicht näher. Hier gibt es also Gestaltungsraum, der von der BO nicht eingeschränkt wird.
Allerdings sollten nach Art. 3 des Grundgesetzes und nach EU Recht Praxisräume bei Neu- und Umbauten im Sinne der Gleichberechtigung behindertengerecht ausgestattet werden (damit auch sanitäre Anlagen).
Beim Anmieten von Praxisräumen muss in der Regel immer ein Mietvertrag über Gewerberäume abgeschlossen werden. Das gilt auch, obwohl die Räume freiberuflich und nicht gewerblich genutzt werden, denn das Mietrecht unterscheidet ausschließlich zwischen Wohnraummietrecht und Gewerbemietrecht. Aus diesem Grund sind bei jeder geschäftlichen Tätigkeit die Vorschriften über den Gewerberaummietvertrag anzuwenden. Private Wohnungen anzumieten und diese dann aber als Praxis zu nutzen, ist ohne Abklärung mit u.a. der Baubehörde und dem Vermieter nicht gestattet.
Die Gestaltung der Behandlungsräume sollte unter Berücksichtigung der Schaffung eines professionellen Therapiesettings und unter Beachtung des Abstinenzgebots erfolgen. Die Praxisräume sollten von den Privaträumen des Kammermitglieds funktionell getrennt und möglichst frei sein von Hinweisen, die Rückschlüsse auf die private Lebensführung, politische oder religiöse oder weltanschauliche Einstellung des Kammermitglieds zulassen. Ein aufgeräumtes und gepflegtes Erscheinungsbild der Praxisräume sollte selbstverständlich sein. Schallschutz und Diskretion sind zu gewährleisten. Personenbezogene Daten sind vor dem Zugriff unbefugter Dritter zu sichern.
Hinweise dazu gibt z.B. Das „Management Handbuch für die psychotherapeutische Praxis“
(Bell/Best/Gerlach/Lubisch/Schaff/Schmid)
Untervermietung: Ich bin Kammermitglied und möchte einer/einem Kolleg*in, die/der als Heilpraktiker*in tätig ist, Praxisräume untervermieten. Spricht aus rechtlicher Sicht etwas dagegen?
Grundsätzlich ist die Untervermietung an eine*n Heilpraktiker*in möglich. Sie sollten allerdings, z.B. durch zwei Türschilder, zwei getrennte Website und getrennte Räumlichkeiten, deutlich machen, dass Sie jeweils eigenständige Arbeitsbereiche haben und nicht gemeinschaftlich heilkundlich tätig sind. Die Tätigkeitsbereiche sind strikt voneinander zu trennen.
Web-Auftritt: Ich möchte für meine berufliche Tätigkeit eine Webseite erstellen. Was muss im Impressum stehen?
Maßgebliche Vorschrift für den Inhalt des Impressums ist nach §23 Abs. 4 der Berufsordnung der PTK Hamburg das Telemediengesetz (TMG), insbesondere § 5. Nun trifft davon nicht alles auf Kammermitglieder zu. Demgemäß wäre für Kammermitglieder folgendes aufzunehmen:
- Name des Kammermitgliedes und Anschrift der Praxis
- Telefonnummer, ggf. Fax und in jedem Fall eine E-Mail-Adresse
- Zuständige AufsichtsbehördeFür die PTK Hamburg:
Psychotherapeutenkammer Hamburg
– Körperschaft des öffentlichen Rechts –
Weidestraße 122c
22083 Hamburg
Tel.: 040 / 226 226-060
Fax: 040 / 226 226-089
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www.ptk-hamburg.desowie die Anschrift der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung als Aufsichtsbehörde für Vertragspsychotherapeut*innen
- gesetzliche Berufsbezeichnung sowie den Staat, in dem die Berufsbezeichnung verliehen worden ist: z.B. Psychologische Psychotherapeutin/Psychologischer Psychotherapeut (Deutschland)
- berufsrechtliche Regelungen: Gesetz über den Beruf der Psychotherapeutin und des Psychotherapeuten (Psychotherapeutengesetz – PsychThG), Hamburgisches Kammergesetz für die Heilberufe (HmbKGH), Berufsordnung der Psychotherapeutenkammer Hamburg (am besten jeweils in einer verlinkten Version aufführen)
- Umsatzsteuer-ID, sofern vergeben
- Angabe des Partnerschaftsregisters und der entsprechenden Registernummer, sofern eine Partnerschaft nach dem Partnerschaftsgesellschaftsgesetz besteht
Praxiswert: Ich möchte einen Praxissitz kaufen. Welche Kosten sind gerechtfertigt? Wie wird der Wert einer Praxis berechnet?
Auf Bundeskammerebene wird seit geraumer Zeit ein Praxisbewertungsmodell diskutiert, mit dem man Kriterien zur Berechnung des Wertes einer Praxis festlegt. Diese Diskussion ist wegen der sich als sehr komplex erweisenden Materie noch nicht abgeschlossen. Umsatz, Umsatzerwartung, Standort, Lage, Ausstattung, etc. spielen unter anderem eine Rolle. Insofern können wir als Kammer aktuell keine Angaben zur Berechnung von Preisen für (halbe) Praxissitze machen. Gerne können Sie sich jedoch die Unterlagen eines Symposiums der Bundespsychotherapeutenkammer zu der Berechnung von Praxiswerten ansehen: BPtK-Symposium: Was ist eine Praxis wert? – Stand: 10.12.2015
Sollten Sie in einem Berufsverband sein oder sich anwaltlich bei der Praxisabgabe beraten lassen, können Sie sicherlich von dort Anhaltspunkte über Preise für vergleichbare Praxen bekommen.
Kassensitze: Ich habe eine Frage zur Bewerbung auf einen Kassensitz. An wen muss ich mich wenden?
Möchten Sie sich auf einen Kassensitz in Hamburg bewerben, so wenden Sie sich bitte an den Zulassungsausschuss der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg. Die Kontaktdaten finden Sie hier:
KV Hamburg: Zulassung
Wo finde ich hilfreiche Praxistipps für die Arbeit in meiner psychotherapeutischen Praxis?
Empfehlenswert ist das „Management Handbuch für die psychotherapeutische Praxis“, das von Bell, Best, Gerlach, Lubisch, Schaff und Schmid herausgegeben wurde. Hierin werden Themen wie Antragstellung, Abrechnung, Auskunftspflicht, Behandlungsvertrag, Kooperationsformen, Patient*innenrechte, Versicherungen,
Zulassungsfragen und vieles mehr behandelt.
Die LPK RLP hat eine Broschüre zu Steuertipps für Psychotherapeut*innen veröffentlicht. Hier können Sie die Broschüre herunterladen: Steuertipps für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten – Stand: 06.11.2018
Aufklärungspflichten, Psychotherapievertrag und Vereinbarungen mit Patient*innen
Ist ein schriftlicher Psychotherapievertrag zwischen Kammermitglied und Patient*in verpflichtend?
Nein, ein schriftlicher Psychotherapievertrag ist nicht zwingend erforderlich. Jedoch gilt immer ein mündlicher Psychotherapievertrag als geschlossen, auf den die Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) entsprechend angewendet werden.
Schriftlich sollte aber im Zuge der Dokumentationserstellung immer die Aufklärung erfolgen.
In § 7 (Aufklärungspflicht und Einwilligung) der Berufsordnung der PTK Hamburg ist dazu festgelegt:
„(1) Jede Behandlung bedarf der Einwilligung und setzt eine mündliche Aufklärung durch das Kammermitglied oder durch eine andere Person voraus, die über die zur Durchführung der jeweiligen Maßnahme notwendige Ausbildung verfügt. Anders lautende gesetzliche Bestimmungen bleiben davon unberührt.
(2) Kammermitglieder unterliegen gegenüber ihren Patientinnen und Patienten einer Aufklärungspflicht über sämtliche für die Einwilligung wesentlichen Umstände, insbesondere über Art, Umfang, Durchführung, zu erwartende Folgen und Risiken der Behandlung sowie ihre Notwendigkeit, Dringlichkeit, Eignung und Erfolgsaussichten im Hinblick auf die Diagnose oder die Therapie. Bei der Aufklärung ist auch auf Alternativen zur Behandlung hinzuweisen, wenn mehrere gleichermaßen indizierte und wissenschaftlich anerkannte Methoden zu wesentlich unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Heilungschancen führen können. Die Aufklärungspflicht umfasst weiterhin die Klärung der Rahmenbedingungen der Behandlung, zum Beispiel Honorarregelungen, Sitzungsdauer und Sitzungsfrequenz und die voraussichtliche Gesamtdauer der Behandlung.
(3) Die Aufklärung hat vor Beginn einer Behandlung in einer auf die Befindlichkeit und Aufnahmefähigkeit der Patientin oder des Patienten abgestimmten Form und so rechtzeitig zu erfolgen, dass die Patientin oder der Patient seine Entscheidung über die Einwilligung wohlüberlegt treffen kann. Treten Änderungen im Behandlungsverlauf auf oder sind erhebliche Änderungen des Vorgehens erforderlich, ist die Patientin oder der Patient auch während der Behandlung darüber aufzuklären.
(4) Der Patientin oder dem Patienten sind Abschriften von Unterlagen, die sie oder er im Zusammenhang mit der Aufklärung oder Einwilligung unterzeichnet hat, auszuhändigen.
(5) In Institutionen, in Berufsausübungsgemeinschaften, Kooperationsgemeinschaften und sonstigen Organisationen arbeitende Kammermitglieder haben darüber hinaus ihre Patientinnen und Patienten über besondere Rahmenbedingungen sowie über die Zuständigkeitsbereiche weiterer, an der Behandlung beteiligter Personen zu informieren. Wir empfehlen immer eine schriftliche Information bzw. Vereinbarung, die Sie von ihren Patient*innen unterschreiben lassen sollten.“
Inwieweit besteht seitens des behandelnden Kammermitgliedes eine Aufklärungspflicht bei Verdacht auf psychisch bedingte Einschränkungen der fahrrelevanten psychischen Funktionen?
Wie jede*r Berater*in und Behandler*in hat auch ein Kammermitglied aufgrund seiner/ihrer Aufklärungs- und Hinweispflichten ungefragt auf Umstände hinzuweisen, die im Rahmen eines Behandlungsverhältnisses in seiner/ihrer fachlichen Beurteilungskompetenz liegen. Sofern die Fahrtauglichkeit der Patient*innen aus psychologischen oder psychopathologischen Gründen eingeschränkt sein könnte, haben die Behandler*innen hierauf ihre Patient*innen ungefragt hinzuweisen und ggf. Wege zu weisen, die Fahrtauglichkeit überprüfen zu lassen. Dies sollte auch in den Behandlungsunterlagen dokumentiert werden.
Behandelnde sind hingegen weder verpflichtet, noch wegen der gesetzlichen Schweigepflicht überhaupt nur berechtigt, die Fahrerlaubnisbehörden über Zweifel an der Fahrtauglichkeit zu informieren.
Der Hinweis und dessen Dokumentation in den Behandlungsunterlagen ist für die Behandelnden durchaus von erheblicher haftungsrechtlicher Bedeutung:
Fährt der/die betroffene Patient*in weiter Auto und kommt es krankheitsbedingt zu einem Unfall, könnte der/die Patient*in oder gar die Versicherung die Behandelnden ggf. mit folgendem Argument in Regress für die Unfallschäden nehmen: Wäre der / die Patient*in aufgeklärt worden, wäre er/sie nicht mehr Auto gefahren und hätte folglich den schweren Unfall vermieden.
Ausfallhonorar: Mein*e Patient*in hat eine Psychotherapiestunde kurzfristig abgesagt und weigert sich nun, die ausgefallene Stunde zu bezahlen. Wie kann ich vorgehen?
Ein Anspruch auf Ausfallhonorar könnte Ihnen gemäß § 615 BGB (Annahmeverzug) zustehen. Neben der Besprechung im Aufklärungsgespräch sollte immer eine schriftliche Vereinbarung über das Ausfallhonorar mit Ihren Patient*innen am besten im Rahmen eines schriftlichen Behandlungsvertrages getroffen werden. Ansonsten können Schwierigkeiten entstehen, den Anspruch durchzusetzen. Ein Schadensersatzanspruch aus der Verletzung einer Nebenpflicht des Behandlungsvertrages bei Nichtregelung des Ausfallhonorars ist nur schwer durchzusetzen. Bei der schriftlichen Vereinbarung eines Ausfallhonorars im Behandlungsvertrag können Sie z.B. auch festlegen, dass Patient*innen bei einer kurzfristigen Absage des Termins (höchstens 48 Stunden) die Psychotherapiestunde privat bezahlen müssen. Die Höhe des Honorars kann bei gesetzlich Versicherten dem aktuellen Stundensatz der Kasse entsprechen, bei privat Versicherten oder selbst zahlenden Patient*innen entsprechend dem nach GOP vereinbarten Privathonorar. Empfohlen wird ein etwas niedriger Satz für das Ausfallhonorar.
Bei den Vereinbarungen über das Ausfallhonorar im Behandlungsvertrag handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen, die rechtlich immer auf Angemessenheit überprüft werden.
Der Bundesgerichtshof hat sich nun erstmalig ausführlich zur grundsätzlichen Zulässigkeit von Klauseln zur Vereinbarung eines Ausfallhonorars geäußert: Urteil des III. Zivilsenats vom 12.5.2022 – III ZR 78/21 – (bundesgerichtshof.de)
Ausfallhonorar bei Beendigung einer Gruppentherapie
Für Gruppentherapien ist eine kontinuierliche Teilnahme der Gruppenmitglieder erforderlich. Kann mit Patient*innen eine Vereinbarung getroffen werden, nach der Patient*innen nach der Kündigung des Gruppentherapievertrages noch an einer bestimmten Anzahl von Sitzungen teilnehmen müssen?
Aus der Sicht gruppentherapeutisch arbeitender Kolleg*innen ist die möglichst weitgehende Sicherstellung einer kontinuierlichen Teilnahme an den Gruppentherapien ein berechtigtes und auch inhaltlich nachvollziehbares Kriterium.
Solche Vereinbarungen – so sinnvoll sie zunächst inhaltlich erscheinen mögen – entsprechen nicht geltendem Recht. Nach § 627 Abs. 1 BGB (Fristlose Kündigung bei Vertrauensstellung) haben Patient*innen das Recht, eine Behandlung jeglicher Art, also auch Psychotherapie, jederzeit ohne Angabe von Gründen zu beenden. Honoraransprüche für nicht wahrgenommene Sitzungen nach der Beendigung einer Psychotherapie können nicht geltend gemacht werden.
Ausfallhonorar Patient*innen der TSS
Zum wiederholten Mal innerhalb von wenigen Wochen sind von der Termin-Service-Stelle angekündigte Patient*innen nicht zur psychotherapeutischen Sprechstunde erschienen.
Hier wüsste ich gerne, wie eine verbindliche Regulierung aussehen könnte, um den hierdurch entstehenden finanziellen Ausfall zu kompensieren und auch auf rechtlicher Ebene korrekt zu handeln; die Spruchpraxis der Bestellpraxis, die Kammermitglieder führen, ist mir insoweit bekannt, als ich weiß, dass dies eine legitime Praxis ist. Gleichzeitig möchte ich mich nach dem aktuellen Stand der Dinge erkundigen und habe eine Fotokopie des Textes beigefügt, mit dem ich der Patientin die Ausfallhonorarrechnung begründen werde.
Ein Ausfallhonorar müsste, damit es rechtlich durchsetzbar ist (s. 5.3), im Vorwege dokumentiert vereinbart werden.
Haftung
Ist der Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung für alle berufstätigen Kammermitglieder verpflichtend?
Gemäß § 27 Absatz 4 Hamburger Kammergesetz für die Heilberufe (HmbKGH) und § 4 Abs. 2 der Hamburger Berufsordnung sind Kammermitglieder verpflichtet, sich hinreichend gegen Haftpflichtansprüche aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit zu versichern. Diese Regelung entspricht § 4 Abs. 2 der Musterberufsordnung. Diese Bestimmung ist so auszulegen, dass die Verpflichtung jede*n Berufsträger*in unabhängig davon trifft, ob er/sie selbständig oder angestellt tätig ist (Stellpflug/Berns, Musterberufsordnung, 3. Aufl., § 4 MBO, Rz. 122).
Über die Berufshaftpflichtversicherung der/des Arbeitgeber*in wird die angestellte Berufsträger*in
nur unzureichend abgesichert, und zwar in zweierlei Hinsicht:
- Die Versicherung der/des Arbeitgeber*in schützt die/den Arbeitgeber*in, nicht seine/ihre Angestellten. Begehen die Angestellten einen Kunstfehler, wird die/der Patient*in in der Regel nicht nur die/den Arbeitgeber*in aus einer Verletzung des Behandlungsvertrages in Anspruch nehmen, sondern darüber hinaus auch die Angestellten, die direkt gegenüber der/dem Patient*in aus Delikt bzw. unerlaubter Handlung (Gesundheitsverletzung) haftet. Insoweit ist die Versicherung der/des Arbeitgeber*in nicht zur Deckung der Inanspruchnahme der Arbeitnehmer*innen verpflichtet.
- Selbst, wenn die Patient*innen nur die/den Arbeitgeber* in Anspruch nimmt und diese*n auf Schadenersatz verurteilt wird, den die Haftpflichtversicherung auch trägt, wird im Anschluss die Haftpflichtversicherung der/des Arbeitgeber*in die schadenverursachenden Angestellten in Regress nehmen. Insoweit gilt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) zur Haftung von Arbeitnehmer*innen: bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit Alleinhaftung der Arbeitnehmer*innen im Innenverhältnis zur Arbeitgeber*in, bei normaler Fahrlässigkeit Schadensteilung, bei leichter Fahrlässigkeit Alleinhaftung der/des Arbeitgeber*in.
Die Haftpflichtversicherung dient also einerseits dem Selbstschutz der angestellten Berufsträger*innen, andererseits aber auch der Absicherung der Patient*innen, die wissen, dass sie ihre Ansprüche gegenüber den privat möglicherweise nicht hinreichend leistungsfähigen Psychotherapeut*innen auch durchsetzen können, weil hinter ihnen eine leistungsfähige Versicherung steht.
Eine fehlende Haftpflichtversicherung bei Psychotherapeut*innen führt nicht automatisch zum Zulassungswiderruf, wohl aber ist die Psychotherapeutenkammer berechtigt und verpflichtet, die Psychotherapeut*innen mit Zwangsmaßnahmen zum Abschluss und Nachweis einer Versicherung zu veranlassen und damit die berufsrechtliche Verpflichtung aus § 4 Abs. 2 der Hamburger Berufsordnung durchzusetzen (siehe auch Musterberufsordnung, Stellpflug/Berns, a.a.O., Rz. 125).
Berufsrecht und Psychotherapierichtlinie
Gibt es für Patient*innen eine Obergrenze von psychotherapeutischen Sprechstunden oder können sie unbegrenzt viele Kammermitglieder aufsuchen und Sprechstunden wahrnehmen?
„Erwachsene können in der Sprechstunde pro Krankheitsfall (aktuelles Quartal plus drei nachfolgende Quartale) bis zu 6 x 25-minütige Termine erhalten. Wechseln Patienten*innen die/den Psychotherapeuten*in, handelt es sich um einen neuen Krankheitsfall, so dass erneut bis zu 150 Minuten Sprechstunde genutzt werden können. Bei Kindern und Jugendlichen können je Krankheitsfall bis zu 10 x 25-minütige Termine durchgeführt werden, davon können bis zu 100 Minuten nur mit den Eltern vereinbart werden.“
Patient*innen dürfen somit bis zu sechs Sprechstunden bei demselben Kammermitglied wahrnehmen (à 25 Minuten) – wenn die Patient*innen das Kammermitglied wechseln, handelt es sich um einen neuen Krankheitsfall – es gibt keine gesetzliche Regelung, wie häufig gewechselt werden kann. Zudem besteht für Kammermitglieder keine Pflicht zur Kontrolle von bisher durchgeführten Sprechstunden bei anderen Kammermitgliedern.
Ist für die Akutbehandlung ein Konsiliarbericht erforderlich?
Das Psychotherapeutengesetz sieht in § 1 Absatz 2 Satz 2 vor, dass im Rahmen einer psychotherapeutischen Behandlung eine somatische Abklärung herbeizuführen ist. Gemäß SGB V § 28 Absatz 3 Satz 3 ist spätestens nach den probatorischen Sitzungen vor einer psychotherapeutischen Behandlung ein Konsiliarbericht zur Abklärung einer somatischen Erkrankung einzuholen sowie, falls die somatisch abklärenden Vertragsärzt*innen dies für erforderlich halten, auch die fachliche Einschätzung eines / einer psychiatrisch tätigen Vertragsärzt*in einzuholen.
Auch bei einer Akutbehandlung durch Kammermitglieder ist ein Konsiliarbericht einzuholen. Lediglich der Zeitpunkt, vor oder während der Akutbehandlung, ist strittig. Neben der juristischen Bewertung ist hier aber ebenfalls die fachliche Bewertung der Entscheidung deutlich zu machen. Berufsrechtlich sind Kammermitglieder zu besonderer Sorgfalt angehalten. Sie dürfen den Patient*innen nicht schaden. Dazu gehört in diesem Sinne natürlich auch, mögliche somatische Aspekte in den Blick zu nehmen und im Zweifel abklären zu lassen.
Für die sofortige Aufnahme der Akutbehandlung spricht deren Konzeption des sofortigen Beginns in der Richtlinie. Das heißt aber nicht, dass hier nun auf eine diagnostische Abklärung und Aufklärung der Patientin/des Patienten verzichtet werden kann. Die Aufnahme einer Akutbehandlung ohne vorherige somatische Abklärung bedarf einer sorgfältigen Güterabwägung, die auch in der Patientendokumentation darzustellen ist. In der Abwägung muss zwischen der Dringlichkeit des Beginns einer Behandlung und des Vorliegens eines Konsiliarberichts bereits vor oder während der Behandlung sachlich entschieden werden. Bei der Entscheidung für die Akutbehandlung ist die Einholung des Konsiliarberichts, sobald möglich, unverzüglich nachzuholen.
Video und/oder Telefon: Mein*e Patient*in ist zurzeit im Ausland – wir möchten die Psychotherapie jedoch fortführen. Darf ich auch via Internet oder Telefon behandeln?
Für psychotherapeutische Behandlungen in Hamburg gilt §5 (5) der Berufsordnung:
„(5) Kammermitglieder erbringen heilkundliche Behandlungen im persönlichen Kontakt.
Heilkundliche Behandlungen über Kommunikationsmedien sind unter besonderer Beachtung der Vorschriften der Berufsordnung, insbesondere der Sorgfaltspflichten, zulässig. Dies setzt voraus,
1. Eingangsdiagnostik, Indikationsstellung und Aufklärung in Anwesenheit der Patientin oder des Patienten,
2. regelmäßige persönliche Begegnungen zur Überwachung des Behandlungsprozesses, deren Intervalle und Dauer vom Kammermitglied fachlich zu
gestalten und zu verantworten sind
3. und Durchführung des Behandlungsprozesses durch dasselbe Kammermitglied.
Ausschließliche Fernbehandlungen sind im Bereich der heilkundlichen Behandlung nicht zulässig.
Die Mitwirkung an Forschungsprojekten, in denen heilkundliche Behandlungen ausschließlich über Kommunikationsmedien durchgeführt werden, bedarf der Genehmigung durch die Psychotherapeutenkammer.“
Somit ergibt sich ein Handlungsspielraum. Der/die Behandler*in muss gewährleisten, dass es regelmäßige Treffen gibt und die Psychotherapie nicht ausschließlich über Fernbehandlung erfolgt.
Nach dem Datenschutzgesetz muss allerdings gewährleistet sein, dass es sich um eine sichere, verschlüsselte Leitung handelt. Darüber hinaus empfehlen wir, die/den Patient*in schriftlich über die Risiken aufzuklären und sich eine Einwilligungserklärung der/des Patient*in einzuholen. Dennoch gilt:
Auch wenn die/der Patient*in über die Risiken aufgeklärt ist und eingewilligt hat, sollten Sie sicherstellen, dass es sich um eine sichere Internetverbindung handelt. Patient*innen sollten ebenso darüber aufgeklärt werden, wohin sie sich in Krisenmomenten wenden können.
Ein berufsrechtliches „Verbot“, Psychotherapie teilweise online, per Telefon oder Video durchzuführen, gibt es also nicht. Die Bundespsychotherapeutenkammer hat eine Praxis-Info zur Videobehandlung erstellt. Den Ratgeber (4. Auflage, Oktober 2022) können Sie auf der BPtK-Website herunterladen.
Zum 31.03.2022 lief die Corona-Sonderregelung zur unbegrenzten Erbringung von psychotherapeutischen Videobehandlungen bei gesetzlich versicherten Patient*innen aus. Zugleich trat zum 01.04.2022 die Neuregelung in Kraft, dass statt 20% (Regelung vor der Pandemie) nun 30% der ambulanten psychotherapeutischen Leistungen (jeweils bezogen auf Behandlungsfälle und EBM-Ziffern) über Video erbracht werden dürfen.
Telefonische Konsultationen können ab dem 01.04.2022 nicht mehr abgerechnet werden.
Hier finden Sie die detaillierten Informationen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) zu den ab dem 01.04.2022 geltenden Regelungen zur Videobehandlung: KBV – Videosprechstunde.
Abrechnung von psychotherapeutischen Sprechstunden und probatorischen Sitzungen, während einer stationären Behandlung
Neben den Regelungen zur Psychotherapeut*innenausbildung mit der Anpassung des Psychotherapeutengesetzes wurden durch das Psychotherapeutenausbildungsgesetz viele versorgungsrelevante Regelungen im SGB V angepasst, die nicht zur Ausbildungsreform gehör(t)en, sondern eine Reform der psychotherapeutischen Versorgung bedeuten. Hierzu zählen insbesondere die vorgesehenen Zuschläge für Kurzzeittherapie, die Einführung von Maßnahmen der Qualitätssicherung wie auch die Möglichkeit von Abrechnung der Probatorik in der Klinik. Der Übergang soll damit etwas erleichtert werden, indem probatorische Sitzungen dann auch bereits im Krankenhaus durchgeführt werden können. Es ist positiv, dass die Trennung zwischen ambulanter und stationärer Versorgung damit flexibler gestaltet wird. Doch für eine echte Wirksamkeit dieser Regelung wird es erforderlich sein, eine deutliche Anpassung der Vergütungshöhe vorzunehmen oder auch die Durchführung von probatorischen Sitzungen während der Krankenhausbehandlung auch in der Praxis der Kammermitglieder zu ermöglichen. Die Sprechstunde wurde im Gesetz nicht erwähnt, da man wohl davon ausgeht, dass eine Indikationsstellung / Diagnostik bereits in der Klinik erfolgt.
Besteht zwischen zwei ambulanten Kurzzeittherapien eine "Sperrfrist" von 2 Jahren?
Nein, eine Sperrfrist existiert nicht, allerdings ist eine erneute Kurzzeittherapie innerhalb von zwei Jahren gutachterpflichtig. Sie finden diese Bestimmung in § 11 Abs. 4 der seit 01.07.2017 geltenden Psychotherapie-Vereinbarung.
Weiterführende Informationen zur Psychotherapierichtlinie
Angestellte Psychotherapeut*innen
Ich möchte mich auf verschiedene Stellen in einem Angestelltenverhältnis bewerben. Woher weiß ich, welche Vergütung angemessen ist? Gibt es Orientierungshilfen?
Der Deutsche Psychotherapeutentag hat im März 2019 eine Resolution verfasst, in welcher eine tarifliche Eingruppierung in die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes, Entgeltgruppe 15, gefordert wird. Die Resolution sowie eine Stellungnahme der BPtK können Sie hier einsehen:
Resolution-PsychotherapeutInnen-müssen-dem-öffentlichen-Dienst-erhalten-bleiben.pdf (bptk.de)
Vergütung im öffentlichen Dienst weiterhin ungenügend – BPTK
Müssen Akten über Beratungen von angestellten Kammermitgliedern aufbewahrt werden? Dürfen Akten aufgehoben werden? Unter welchen Voraussetzungen dürfen Akten aufgehoben werden und wie lange?
Die Bundeskoordinierung Spezialisierter Fachberatung (BKSF) hat eine Stellungnahme veröffentlicht, um eine Einschätzung zur rechtlichen Situation zu geben und Empfehlungen für die Beratungspraxis zu entwickeln.
Die Informationen finden Sie auf der Website der BKSF.
Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie
Schweigepflicht bei minderjährigen Patient*innen gegenüber Eltern und Vormund
Was mache ich, wenn mein*e 14-jährige*r Patient*in nicht möchte, dass ein Elternteil über die Durchführung der Psychotherapie informiert wird?
Ist das Kind gesetzlich krankenversichert, ist im SGB die Vollendung des 15. Lebensjahrs festgelegt, um elternunabhängig eine Psychotherapie zu beginnen. Daher wird argumentiert, dass Jugendliche im Alter von 15 Jahren, die selbst in die Psychotherapie einwilligen können, entscheiden können, dass die Eltern nicht informiert werden. Bis zum 15. Geburtstag müssen beide Sorgeberechtigten dem Beginn der Psychotherapie zustimmen.
SGB I §36 Abs. 1 sagt aus:
„(1) Wer das fünfzehnte Lebensjahr vollendet hat, kann Anträge auf Sozialleistungen stellen und verfolgen sowie Sozialleistungen entgegennehmen. Der Leistungsträger soll den gesetzlichen Vertreter über die Antragstellung und die erbrachten Sozialleistungen unterrichten.“
Diese Regelung gilt aber nur für gesetzlich Versicherte. Privat Versicherte müssen damit auch nach Vollendung des 15. Lebensjahres die Zustimmung beider Elternteile einholen bzw. muss mit der privaten Krankenkasse geklärt werden, ob es eine analoge Anwendung gibt.
Damit zusammen hängt die Frage der Auskunftsplicht über Psychotherapieinhalte an die Eltern. Ist das Kind hinreichend einsichtsfähig (in der Regel gilt hier auch die Grenze: Nach Vollendung des 15. Lebensjahres), kann es über den Umfang der Informationen, die Sie an die Sorgeberechtigten herausgeben dürfen, selbst disponieren. Aber auch bei dieser Regel gibt es Ausnahmen. Auch ein 13-jähriges Kind kann einsichtsfähig sein, dafür aber ein 17-jähriges Kind unter Umständen nicht. Bei dem 13-jährigen Kind müsste aber zumindest die Aufnahme einer Psychotherapie bekannt geben werden, da beide Sorgeberechtigten beim gemeinsamen Sorgerecht zustimmen müssen.
Häufig findet die KJP-Arbeit in diesem Spannungsfeld streitender Sorgenberechtigter statt, die ihre Konflikte über Kinder austragen können. Ratsam ist, mit diesen Beteiligten zu arbeiten, dem Kind den notwendigen eigenen Raum zu lassen und die eigenen Konflikte an anderer Stelle zu klären. Es sollte auch bedacht werden, inwieweit Sie möglicherweise instrumentalisiert werden. In jedem Fall sollten Sie diese Überlegungen und Einschätzungen dokumentieren, mit dem Kind und den Eltern besprechen sowie daraus resultierende Folgen für die Beziehungen abwägen.
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie in dem Buch „Muster-Berufsordnung für Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten“ (Prof. Dr. Martin H. Stellpflug / Inge Berns) in der Kommentierung des § 12 (Umgang mit minderjährigen Patientinnen und Patienten) und in § 8 (Schweigepflicht).
Psychotherapeutische Behandlung von Erwachsenen als KJP
Ich verfüge über eine Approbation als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*in und habe nun die Anfrage einer / eines 22-Jährigen für eine Psychotherapie. Darf ich sie/ihn behandeln?
Eine Behandlung ist nicht zulässig.
In § 1 Abs. 2 des PsychThG in der bis zum 31.08.2020 geltenden Fassung, die für die bisherigen Berufe
PP und KJP galt, ist der berufsrechtliche Grundsatz, dass KJP bis zum 21. Lebensjahr behandeln dürfen,
normiert.
§1 Abs. 2 PsychThG
(1) „Die Berechtigung zur Ausübung des Berufs des Kinder- und Jugendlichen-psychotherapeuten erstreckt sich auf Patienten, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.
(2) Ausnahmen von Satz 1 sind zulässig, wenn zur Sicherung des Therapieerfolgs eine gemeinsame psychotherapeutische Behandlung von Kindern oder Jugendlichen mit Erwachsenen erforderlich ist oder bei Jugendlichen eine vorher mit Mitteln der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie begonnene psychotherapeutische Behandlung erst nach Vollendung des 21. Lebensjahres abgeschlossen werden kann.
(3) […]“
Im neuen, seit 01.09.2020 geltenden, PsychThG ist diese Normierung in den Abschnitt 7:
Übergangsvorschriften, Bestandsschutz in den § 26 übernommen worden:
§ 26 Weiterführen der alten Berufsbezeichnungen
(1) „Psychologische Psychotherapeutinnen und Psychologische Psychotherapeuten sowie Kinder-und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, die eine Approbation nach dem Psychotherapeutengesetz in der bis zum 31. August 2020 geltenden Fassung besitzen, führen weiterhin ihre jeweilige Berufsbezeichnung und dürfen die Psychotherapie nach § 1 Absatz 2 ausüben.
(2) Die Berechtigung zur Ausübung des Berufs der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten erstreckt sich auf Patientinnen und Patienten,
die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.
(3) Ausnahmen von Satz 2 sind zulässig, wenn zur Sicherung des Therapieerfolgs eine gemeinsame psychotherapeutische Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Erwachsenen erforderlich ist oder bei Jugendlichen eine zuvor mit Mitteln der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie begonnene psychotherapeutische Behandlung erst nach Vollendung des 21. Lebensjahres abgeschlossen werden kann.
(4) Im Übrigen haben Personen nach Satz 1 die gleichen Rechte und Pflichten wie eine Person mit einer Approbation nach § 1 Absatz 1.“
Psychotherapeutische Behandlung von Minderjährigen als PP
Ich verfüge über eine Approbation als Psychologische*r Psychotherapeut*in und habe nun die Anfrage einer / eines 17-jährigen Jugendlichen für eine Psychotherapie. Darf ich sie/ihn behandeln?
Psychologische Psychotherapeuten*innen (PP) sind berufsrechtlich dazu befugt, Patient*innen aller Altersgruppen zu behandeln. KJP hingegen dürfen nur Kinder und Jugendliche bis zum Alter von 21 Jahren behandeln.
Mit den Krankenkassen abrechnen dürfen PP jedoch nur die Behandlung von Patient*innen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben. Es ist für Psychologische Psychotherapeut*innen allerdings möglich, durch eine Zusatzqualifikation auch die Abrechnungserlaubnis für Psychotherapie mit Kindern und Jugendlichen zu erhalten.
Aufsichtspflicht während einer Psychotherapie
Wie ist die Aufsichtspflicht während der Psychotherapiestunden geregelt?
Die Aufsichtspflicht obliegt grundsätzlich den sorgeberechtigten Eltern und ist Teil der Personensorge (§ 1631 Abs. 1 BGB). Sie kann aber vertraglich auch vorübergehend auf Dritte übertragen werden. Die Aufsichtspflicht dient vorrangig dem Schutz des Kindes.
Beim Abschluss eines Behandlungsvertrages, im Rahmen dessen auch Einzelsitzungen mit dem Kind in Abwesenheit der Sorgeberechtigten vereinbart werden, einigen sich Sorgeberechtigte mit dem/der Behandler*in regelmäßig konkludent über die Übernahme der Aufsichtspflicht während der Behandlungsstunden durch das Kammermitglied.
Ungeachtet dieser vertraglichen Übertragung der Aufsichtspflicht bestehen neben den Hauptleistungspflichten, die sich unmittelbar aus dem Behandlungsvertrag ergeben, weitere vertragliche Nebenpflichten. Eine Nebenpflicht ist die Schutz- und Rücksichtnahmepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB). Aufgrund dieser Schutz- und Rücksichtnahmepflicht sind Kammermitglieder verpflichtet, auch nach der Stunde auf das Kind Acht zu geben und die Aufsicht zu führen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bestimmt sich das Maß der gebotenen Aufsicht nach Alter, Eigenart und Charakter des Kindes sowie danach, was den Aufsichtspflichtigen in ihren jeweiligen Verhältnissen zugemutet werden kann (BGH, Urteil vom 15. November, 2012 –I ZR 74/12). Es sind die Umstände des Einzelfalls zu betrachten.
Kammermitglieder müssen deshalb Kinder zum Beispiel zurückhalten, wenn sie eher gehen wollen, obwohl die Eltern noch nicht zur Abholung in der Praxis sind und es keine schriftliche Vereinbarung darüber gibt, dass das Kind allein gehen darf. Wenn die Eltern nicht erreichbar sind, dürfen und müssen Kammermitglieder Kinder zum Schutz am Gehen hindern, bis diese zur Abholung des Kindes eintreffen.
Ein schriftliches Einverständnis darüber einzuholen, dass Kinder allein gehen dürfen, ist ratsam. Die Aufsichtspflicht und die sich daraus ergebenden Nebenpflichten auszuschließen, ist aber möglicherweise rechtlich nicht haltbar. Sie könnten einen Hinweis im Behandlungsvertrag aufnehmen, dass darum gebeten wird, während der Stunde im Wartezimmer anwesend zu sein oder 15 Minuten vor Beendigung der Stunde in die Praxis zu kommen und in der Zeit der Psychotherapie telefonisch
immer erreichbar zu sein.
Weiterführende Informationen zu rechtlichen Fragestellungen im Bereich KJP
Die Landespsychotherapeutenkammer Baden-Württemberg hat im Dezember 2021 eine 2. Auflage der Broschüre „Berufsrecht – eine Herausforderung von Fällen und Fallen in der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie“ herausgegeben.
Hier finden Sie praktische Fallbeispiele mit fachlichen und rechtlichen Bewertungen zu wesentlichen Themenkomplexen aus dem KJP-Bereich.
Kostenerstattung
Kostenerstattung seit der neuen Psychotherapierichtlinie
Bisher beurteilten die Krankenkassen die Dringlichkeit und damit das Merkmal „unaufschiebbar“ in ihrer Verwaltungspraxis anhand einer sogenannten Dringlichkeitsbescheinigung von eine*r Hausärzt*in oder Psychiater*in. Vor dem Hintergrund der neuen psychotherapeutischen Sprechstunden scheinen viele Krankenkassen Anträge auf Kostenerstattung grundsätzlich abzulehnen, wenn nicht zuvor eine psychotherapeutische Sprechstunde wahrgenommen wurde, aus der sich die Dringlichkeit und damit die Unaufschiebbarkeit ergibt. Wie ist eine solche Praxis rechtlich zu beurteilen? Kann die Krankenkasse damit die Beurteilung der Unaufschiebbarkeit weg von der Hausärzt*in in die Sprechstunde verlagern?
Seit dem 01.04.2018 ist die Durchführung einer Richtlinientherapie (sowie probatorischer Sitzungen und psychotherapeutischer Akutbehandlungen) in der Regel davon abhängig, dass Versicherte zuvor eine psychotherapeutische Sprechstunde aufgesucht haben (siehe §11 Abs. 1 Satz 3 PsychothRL).
Der Anspruch auf Kostenerstattung ist weiterhin in §13 Absatz 3 Satz 1 SGB V geregelt:
„Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die
Leistung notwendig war.“
Da Versicherte im Rahmen der Kostenerstattung nicht bessergestellt werden dürfen als in einer regulären Behandlung innerhalb des GKV-Systems, ist vor der Durchführung einer Richtlinientherapie die Inanspruchnahme der psychotherapeutischen Sprechstunde auch im Rahmen der Kostenerstattung notwendig.
Unaufschiebbare Leistung trotz Akutbehandlungsmöglichkeit
Kann es sich unter rechtlichen Gesichtspunkten bei einer regulären Richtlinienpsychotherapie (noch) um eine im Sinne von §13 Abs. 3 SGB V unaufschiebbare Leistung handeln, wenn der Gesetzgeber und der G-BA insbesondere mit der Akutversorgung Leistungen für akute Fälle eingeführt hat und die Partner des Bundesmantelvertrags reguläre Psychotherapie nicht in die Vermittlung durch die Terminservicestellen (TSS), die zur Umsetzung einer angemessenen und zeitnahen Zurverfügungstellung der fachärztlichen Versorgung dient, einbezogen haben?
Nach unserer Einschätzung liegt die Zuständigkeit der TSS in der Vermittlung von Terminen für ein Erstgespräch im Rahmen der psychotherapeutischen Sprechstunde und (soweit erforderlich) einer Akutbehandlung. Dies bedeutet nicht, dass eine Richtlinientherapie nicht mehr als unaufschiebbare Leistung angesehen werden kann.
Hintergrund
Die Kassenärztliche Vereinigung hat zur „Vermittlung eines Termins für ein Erstgespräch im Rahmen der psychotherapeutischen Sprechstunde und der sich aus der Abklärung ergebenden zeitnah erforderlichen Behandlungstermine“ sogenannte Terminservicestellen (TSS) eingerichtet (§75 Abs. 1a Satz 13 SGB V). Diese TSS sollen der Umsetzung einer „angemessenen und zeitnahen Zurverfügungstellung der fachärztlichen Versorgung“ dienen (vgl. §75, Abs. 1a Satz 1 SGBV).
§2a Abs. 2 der Anlage 28 zum Bundesmantelvertrag Ärzte (BMV-Ä) regelt zudem:
„Die Terminservicestelle vermittelt auf Anfrage des Versicherten
1. einen Termin für ein Erstgespräch im Rahmen der psychotherapeutischen Sprechstunde gemäß §11 der Psychotherapie-Richtlinie des G-BA
2. einen Termin für die sich aus der Abklärung nach Nr. 1 ergebende zeitnah erforderliche Akutbehandlung gemäß §13 der Psychotherapie-Richtlinie des G-BA.“
Demnach können Versicherte keine Richtlinientherapie über eine TSS vermittelt bekommen. Dies bedeutet allerdings nicht, dass eine Richtlinientherapie nicht mehr als unaufschiebbare Leistung angesehen werden kann.
Die Akutbehandlung und die Richtlinientherapie sind zwei unterschiedliche Behandlungsleistungen, die in der Psychotherapierichtlinie beschrieben werden. Demnach kann sich im Rahmen einer psychotherapeutischen Sprechstunde entweder die Indikation für eine Richtlinienpsychotherapie herausstellen (vgl. §11 Abs. 10 PsychothRL: „Sofern eine Behandlung nach §15 indiziert ist, […]“) oder es kann eine Indikation für eine Akutbehandlung festgestellt werden (vgl. §13 Abs. 1 PsychothRL: „Die Akutbehandlung ist eine zeitnahe psychotherapeutische Intervention im Anschluss an die Sprechstunde zur Vermeidung von Fixierungen und Chronifizierungen psychischer Symptomatik“). Versicherte, die über eine Dringlichkeitsbescheinigung verfügen und eine Richtlinientherapie in Anspruch nehmen möchten, müssen sich unserer Auffassung nach daher nicht auf eine vorrangige Inanspruchnahme einer Akutbehandlung verweisen lassen.
Anspruch auf Kostenerstattung
Besteht ein Anspruch auf Kostenerstattung in Bezug auf Sprechstunde und Akutbehandlung, wenn die Terminservicestelle (TSS) keinen Termin bei Vertragsärzten oder Vertragspsychotherapeuten oder im Krankenhaus vermitteln bzw. anbieten oder sich die Vermittlung auf einen Termin an einem weit entfernten Ort bezieht?
Der Anspruch auf Kostenerstattung setzt voraus, dass die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte (siehe § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V). Soweit die TSS keinen Termin bei Vertragsärzten bzw. Vertragspsychotherapeuten oder im Krankenhaus vermitteln können, kommt daher grundsätzlich ein Anspruch auf Kostenerstattung in Betracht.
Kann die TSS binnen vier Wochen keinen Termin vermitteln, so müssen Versicherte allerdings nach wie vor den sogenannten Beschaffungsweg einhalten. Sie müssen sich also vor der erstmaligen Inanspruchnahme von Kammermitgliedern in Privatpraxis mit ihrer Krankenkasse in Verbindung setzen und diese mit ihrem Leistungsbegehren (psychotherapeutische Versorgung) konfrontieren, damit die Krankenkasse prüfen kann, ob eine Versorgungslücke innerhalb des GKV-Systems besteht.
Erreichbarkeit
Gelten für die Frage der Erreichbarkeit die in Anlage 28 BMV-Ä genannten 30 Minuten in jedem Einzelfall oder welche Faktoren sind ggfls. in die Beurteilung einzubeziehen?
„Die Terminservicestelle hat einen Termin bei einem […] Psychotherapeuten in einer zumutbaren Entfernung zum Wohnort oder dem gewöhnlichen Aufenthaltsort des Versicherten zu vermitteln.“ (vgl. § 6 Abs. 1 Anlage 28 zum BMV-Ä). Für Arztgruppen der allgemeinen fachärztlichen Versorgung gilt hier die Regelung „erforderliche Zeit für das Aufsuchen des nächsten erreichbaren geeigneten Facharztes plus maximal 30 Minuten“ (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Anlage 28 zum BMV-Ä).
Bei der Vermittlung von Terminen sind auch die „individuelle Mobilität des Versicherten, die besonderen Verhältnisse sowie die öffentliche Verkehrsanbindung zu berücksichtigen“ (vgl. § 6 Abs. 5 der Anlage 28 zum BMV-Ä).
Dies bedeutet nach unserer Auffassung, dass der Zeitbedarf von Fall zu Fall ermittelt werden muss.
Kann Versicherten unter diesen Voraussetzungen ein Termin von der TSS vermittelt werden, dürfte dies einem Anspruch auf Kostenerstattung entgegenstehen, da die Krankenkasse die erforderliche Leistung erbringen kann
Vorgehen bei einem Antrag auf Kostenerstattung
Welches Vorgehen ist zu empfehlen, um eine unaufschiebbare Leistung im Wege der Kostenerstattung zu erhalten?
Es bedarf einer bestimmten Vorgehensweise, wenn gesetzlich Versicherte keinen Behandlungsplatz bei zugelassenen Kammermitgliedern finden und sich daher von Kammermitgliedern in einer Privatpraxis behandeln lassen müssen. Diese Vorgehensweise können Sie in der Patienten-Info „Wenn kein zugelassener Psychotherapeut zu finden ist“ der Bundespsychotherapeutenkammer nachlesen.
Wo gibt es weiterführende Informationen zur neuen Psychotherapierichtlinie?
Die Psychotherapeutenkammer Hamburg hat auf ihrer Homepage eine Rubrik „Die neue Psychotherapierichtlinie“ eingerichtet, in welcher Sie aktuelle Informationen, Schnittstellen und weiterführende Links zur Psychotherapierichtlinie erhalten. Inwieweit kümmert sich die PTK Hamburg um die aktuelle Situation der Kolleginnen und Kollegen, die im Kostenerstattungsverfahren tätig sind?
Die Kolleg*innen in Privatpraxen, die in der Kostenerstattung arbeiten, leisten einen wichtigen Beitrag zur Versorgung von gesetzlich Versicherten. Im Rahmen unserer in der Kammersatzung festgelegten Aufgaben unterstützen wir deshalb alle Kammermitglieder, auch diejenigen, die im Kostenerstattungsverfahren tätig sind. So werden z.B. regelmäßig Gespräche zur psychotherapeutischen Versorgung mit dem MDK, mit Krankenkassen und anderen Kostenträgern sowie mit Gesundheitspolitiker*innen geführt. Weiterhin werden allgemeine Informationen und Hinweise zur Psychotherapie im Kostenerstattungsverfahren zur Verfügung gestellt.